Das Lager Mühlau in Tuttlingen
Auf dem Gelände, wo sich heute unsere Schule, das Otto-Hahn-Gymnasium
Tuttlingen befindet, befand sich bis vor 40 Jahren das Lager
Mühlau. Das Lager, 1942 von den Nazis als Lager für
ausländische Zwangsarbeiter (vor allem Frauen aus Russland)
gebaut, wurde nach Kriegsende weitergenutzt, und zwar in erster
Linie Durchgangs- und Entlassungslager für die heimkehrenden
deutschen Soldaten in die französische Zone.
Dieses Lager wurde auch das "Lager des Schweigens" genannt,
denn auf Kontakt mit den Gefangenen standen hohe Strafen.
Doch es gab viele Tuttlinger, die sich dieser Gefahr aussetzten
und den Gefangenen beinahe täglich Essen an den Zaun
brachten.
Von 1945 bis 1950 waren zwischen 200.000 und 300.000 Kriegsgefangene
in Tuttlingen, denn alle in der französischen Südzone
beheimateten Gefangenen wurden im Lager Mühlau entlassen.
Doch Kriegsverbrecher, die auf der schwarzen Liste standen
(z.B. Mitglieder der Waffen-SS), wurden weitertransportiert
in französische Lager.
Die Ankunft der Gefangenen war nicht immer menschlich, "als
die großen Eisenbahntransporte für das Lager ankamen,
war die Not besonders groß. Da öffneten sich fast
täglich und auch nachts auf der großen Rampe beim
Lager die Viehwaggons, und heraus strömten verhärmte,
halbverhungerte, apathische, von oft wochen- und tagelanger
Bahnfahrt gebrochene Soldaten ins Lager, getrieben und gestoßen
von den Bewachern."
Fluchtversuche von Gefangenen und solche Momente, waren hart.
Jedoch gab es auch "schöne" Momente, denn unter den deutschen
Gefangenen hatten sich sogar Unterhaltungskapellen gebildet,
die für die Bürger Tuttlingens Unterhaltungsabende
gaben. Im Lager Mühlau gab es auch eine Lagerkirche,
die ab dem 5. Juli 1946 gebaut wurde. In dieser Kirche fanden
noch bis 1962 Gottesdienste statt.
Doch natürlich war der Alltag im Lager nicht rosig, denn
die Versorgung von so vielen Gefangenen war schwer zu erfüllen.
Doch es gab einige Hilfsorganisationen, die versuchten das
Nötigste durch Kleider- und Lebensmittelsammlungen zu
besorgen.
Um uns den Alltag im Lager Mühlau besser vorstellen zu
können, haben wir eine Zeitzeugin interviewt.
Unser Interview-Partner kam 1954 als Flüchtling aus der
DDR für 2 Jahre in das Arbeitslager Mühlau in Tuttlingen.
Sie hat dort mit 4 Personen, davon 2 kleinen Kinder im Alter
von 3 Jahren und von 6 Monaten, in einer Baracke gewohnt.
Die Baracke bestand aus einem kleinen Raum ohne Wasser, WC
und Dusche. In einer anderen Baracke konnte man Wasser holen
und das WC aufsuchen. Ihre Baracken waren voller Wanzen und
mussten erst gereinigt werden. Einige der Menschen, die auch
im Lager Mühlau waren, kennt sie noch, hat aber keinen
Kontakt zu ihnen.
Auf die Frage hin, wie man so eine Zeit verarbeiten kann,
antwortete sie, dass man zwar nach 50 Jahren vieles vergisst,
aber eine völlige Verarbeitung dieses Erlebnisses sei
nicht möglich. Noch heute hat sie schlimme Erinnerungen
an diese Zeit und möchte etwas derartiges nie wieder
erleben.
von Sandra Fritz und Belinda Götz
Quelle:
"Nationalsozialismus in Tuttlingen"
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