Erinnerungen einer alten Frau
"Ich bin 1928 geboren. Sicher musste ich da, nach der Machtübernahme
der Nazis, in den Jung -Mädel- Bund in Wurmlingen. Vier
Jahre lang bin ich hingegangen. Ich erinnere mich noch genau,
ich war die einzige in einer grünen statt braunen Jacke.
Mein Vater war ausdrücklich dagegen. Er war auch gegen
den Dienst. Der Dienst fand jeden Sonntagmorgen statt. Über
150 Jugendliche in Uniform (Mitglieder des BDM, der HJ etc)
mussten jedes Mal stillstehen, den Hitlergruß tätigen
und nationalsozialistische Lieder singen. Dabei wurde die
Fahne gehisst. Nach diesen vier Jahren, kam ich dann in den
Bund deutscher Mädel. Dort war ich auch 1 ½ Jahre lang,
bis der Krieg endete. In der Schule wurde uns nationalsozialistisches
Gedankengut nahe gelegt. Ich kannte nichts anderes. Mit meinen
blonden Haaren, meinen blauen Augen und meiner schlanken Statur
war ich ja schließlich arisch. Ich habe daran geglaubt.
Jede Woche musste ich beispielsweise in der Schule einen Spruch
aufsagen. Ich war sehr stolz, wenn ich aufgerufen wurde und
diesen Wochenspruch vortragen durfte. Von der Judenvernichtung
wussten wir allerdings hier auf dem Land nichts. Es gab ja
keine Juden in Wurmlingen. Man hatte kaum eine andere Informationsquelle
wie den Volksempfänger. Sicher, man hatte Angst vor der
ständigen Überwachung, aber andererseits hatte man
das Gefühl eines Aufschwungs. Damals herrschten schließlich
auch noch Zucht und Ordnung. Für mich war das schon ein
herber Schlag als dann im April 1945 die Franzosen in unserem
Dorf eintrafen... als ich dann später auch einiges über
die Grausamkeiten erfuhr war ich sehr schockiert. Gut, dass
das alles der Vergangenheit angehört."
dokumentiert von Katrin Wilhelm
Mit freundlicher Genehmigung von Josefa Heizmann
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