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Timo Anand- ein Aussteiger der Neonazi- Szene

3. Anstoß zum Ausstieg

Auf der Abschlussfahrt nach München im Sommer 2001 besuchen er und seine Klasse das ehemalige Konzentrationslager Dachau. Die SchülerInnen werden von Max Mannheimer, der seit 1988 Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau ist, über das Gelände geführt.

Max Mannheimer und Malgorzata Zgraja

Max Mannheimer spricht zu den SchülerInnen der 10a in der KZ- Gedenkstätte über das, was er in den Konzentrationslagern erlebt hat. Dieses und die folgenden Bilder entstanden anlässlich der Klassenfahrt im Juni 2001.

Als Timo Anand das Konzentrationslager betritt, tut er so, als würde er weinen. Auf die Frage eines Mitschülers, was denn los sei, antwortet er, dass er vor Freude weine, weil er glücklich sei, dass dort so viele Menschen starben.

Ihm wird allerdings mulmig, als er die Gaskammer und die Verbrennungsöfen sieht. Hier erhält seine rechtsextreme Einstellung zum ersten Mal Risse. Er fragt sich das erste Mal, warum er das alles tut. Es erschüttert ihn, was er dort sieht.

Gaskammer im KZ Dachau

Auf dem Schild steht in mehreren Sprachen, dass diese Gaskammer, getarnt als "Brausebad", nicht in Betrieb war.

Krematorium im KZ Dachau

Im Krematorium wurden auch Häftlinge erhängt.

Im selben Jahr fährt er mit seinem Vater nach Indien. Als dieser einen Tempel besucht, steht er davor und wartet. Hinter ihm stehen bettelnde Kinder, die ihn anfassen wollen. Sofort kommen seine Onkel angelaufen und schlagen diese Kinder mit Stöcken, weil sie arm sind. Nach dem Kastenwesen gelten sie als unrein und sollten Timo nicht berühren. Timo stellt sich Fragen: "Warum mache ich das?", "Wem nützt das?" und "Warum können nicht alle Menschen in Frieden leben?".
Ihm kommt da zum ersten Mal der Gedanke, dass alle Menschen eigentlich gleich sind, dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, sich von der rechtsextremen Gruppe zu lösen.

Wegen seiner rechtsradikalen Einstellung verliert er seinen Ausbildungsplatz.

Ein Grund zum Ausstieg ist auch, dass er fast ins Gefängnis gekommen wäre. Timo Anand hat zu dem Zeitpunkt bereits acht Gerichtsverhandlungen.

Mit der Zeit ändert er sein Aussehen, geht seltener zu Treffen von Rechtsextremen. Sie merken, dass er sich verändert und greifen ihn verbal an. Ihm wird Gewalt angedroht, falls er aussteigen sollte.

In dieser Zeit lernt er seine jetzige Freundin, eine Polin, kennen, die ihn beim Ausstieg unterstützt. Er schreibt den Rechtsextremisten eine SMS, in der er mitteilt, dass er aussteigt. Daraufhin bekommt er Drohanrufe.

Da er zweimal verprügelt wird, bittet er die Polizei, ihm zu helfen, was sie aber nicht tun. Stattdessen sagen sie ihm später nur: "Geh doch zurück zu deinen Kameraden".

Er will bei der PDS mitarbeiten, muss dafür aber erst eine Ausstiegserklärung verfassen, in der er sich dazu bekennt, kein Neonazi mehr zu sein. Daraufhin wird er aufgenommen und der Vorsitzende setzt sich für ihn ein.

Heute genießt er sein Leben, er bereut, was er getan hat. Er meidet den Block 9 im Stadion. Auch die Disko "Tango" besucht er heute nicht mehr, da sich dort auch Mitglieder der rechtsextremen Szene aufhalten.

Einige SchülerInnen nutzen auch noch nach Ablauf des Interviews die Möglichkeit, mit Timo Anand zu sprechen. Noch lange Zeit danach beschäftigt sie das Gesagte.


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